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Wird KI Technische Redakteure irgendwann ersetzen?

Written by Lars Kothes | 27.05.24 08:16

"Erstelle aus dem Inhalt der Präsentation einen Blogartikel". Mit diesen Worten wollte ich mir eine Menge Arbeit ersparen. Denn passend zur Überschrift habe ich bereits eine Präsentation für einen Vortrag beim VDMA vorbereitet. Was liegt da näher, als den frisch installierten Autopiloten von Microsoft mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Ich will jetzt nicht meckern, aber das Ergebnis war von einer Tiefe und Qualität, die mich dazu veranlasst hat, diesen Blogartikel dann jetzt doch selbst zu schreiben. Also: alles handmade, zumindest in diesem Text. Aber der Vergleich ist auch unfair, denn in meinem Vortrag schreibe ich natürlich nicht alles rein, was ich sagen will, auch wenn ich das Gefühl habe, dass der Autopilot die Notizen komplett ignoriert hat (ist aber nur ein Gefühl). Ich arbeite auch viel mit Bildern, zu denen ich frei erzähle. Vermutlich kann er die Bilder gar nicht interpretieren und was ich dazu sagen will, weiß er erst recht nicht.

 Und das ist auch schon die Überleitung zum eigentlichen Thema: "Wird die KI Technische Redakteure ersetzen?". Ich hole mal etwas aus.

KI im Fokus

Generell kann man feststellen, dass KI gerade eins der Top-Themen in allen möglichen Medien ist. Wenn man beispielsweise will, dass der eigene Vortrag auf einer tekom-Tagung angenommen wird, steigt die Chance, wenn man es irgendwie schafft, die Buchstaben K und I im Titel unterzubringen. Im Gartner Hype Cycle ist die generative KI gerade auf dem Gipfel der übertriebenen Erwartungen angekommen. Danach käme dann nahtlos das Tal der Enttäuschungen. Da das aber laut Gartner bei jeder neuen Technologie der Fall ist, sollte uns das nicht weiter beunruhigen.

Fragt man Menschen aus der Dokumentationsbranche, begegnen einem nahezu alle möglichen Meinungen. Von "KI brauche ich nicht" bis zu "In Zukunft brauchen wir keine Technischen Redakteure mehr" habe ich jegliche Art von Zwischentönen gehört. Naja, und die Wahrheit liegt vielleicht sogar tatsächlich in der Mitte. Warum wird das wohl so sein?

Technologische Argumentation

Erstmal kann man technologisch argumentieren. Eine generative KI ist in der Lage, Inhalte zu generieren. Das ist erstmal irrsinnig beeindruckend und ein bisschen gespenstisch. Jeder, der das ausprobiert, ist erstmal baff, was da so geht. Aber wenn man will, dass die KI etwas Bestimmtes generieren soll, muss man ihr schon sehr genau sagen, was das sein soll. Das ist aufwändig und führt manchmal auch trotz dem vielen Aufwand nicht zu dem gewünschten Ergebnis, wie mein stümperhafter Versuch, diesen Blogartikel nicht selbst schreiben zu müssen, beweist.

Ein schöner Beweis ist auch der verzweifelte Versuch des LinkedIn-Users Marco Oesterlein, das Bild eines Elektroautos mit korrekt eingestecktem Kabel an einer Ladesäule zu generieren.

Marco Oesterleins Versuch, ein Elektroauto mit eingestecktem Kabel zu generieren

Es lässt sich vermuten, dass die KIs da im Laufe der Zeit noch besser werden und es weniger Mühe kostet, sie zu prompten, aber irgendjemand muss das machen. Und irgendjemand muss feststellen, ob das, was da rausgekommen ist, gut ist oder nicht. Das ist in der Redaktion ganz anders als in der Übersetzung, wo die KI ja einen fertigen Text vorfindet und diesen in eine Fremdsprache überträgt. In der Redaktion wird hingegen neues Wissen geschaffen. Da ist eine KI (aktuell) nicht wirklich gut drin. Im Gegenteil, wenn sie etwas nicht weiß, neigt sie dazu, Dinge zu erfinden, also zu halluzinieren. Das ist in der Technischen Redaktion eher kontraproduktiv.

Jetzt aber nicht entspannt zurücklehnen. Die Rolle des Technischen Redakteurs wird sich mit Sicherheit wandeln. Und es gibt zahlreiche Anwendungsfälle, bei denen schon jetzt auch ein erfahrener Technischer Redakteur von einer KI sinnvoll unterstützt werden kann. Das bedeutet, der Redakteur kann sich mehr auf das konzentrieren, was er als Mensch gut kann, und die KI macht eben das, was sie gut kann – beide arbeiten im Team.

Übrigens hat das Wort "Redakteur" auch gar nichts mit Schreiben zu tun. Es kommt von lateinisch "redigere"‚ ‚zurückführen‘, ‚in Ordnung bringen‘. Laut Wikipedia ist es die Aufgabe eines Redakteurs, "… aus der Fülle an Informationen […], die für Leser, Zuhörer oder Zuschauer interessanten und bedeutsamen Beiträge herauszufiltern". Und das ist doch auch etwas, was in der Technischen Redaktion besonders wichtig ist, vielleicht sogar noch mit einem größeren Fokus auf Wahrheit und Präzision. Diese Aufgabe wird meiner Meinung nach nicht so leicht von einer KI übernommen werden können.

Volkswirtschaftliche Argumentation

Soweit die technologische Argumentation. Ich hätte da auch noch eine volkswirtschaftliche Argumentation. Klingt sehr hochtrabend. Ist es auch, ist aber auch nicht von mir, sondern aus dem ARD KI-Podcast. Ich versuche mal, das dort vorgestellte Szenario auf die Technische Redaktion zu übertragen:

 Angenommen, wir erreichen den Punkt, an dem KI-Agenten so leistungsfähig sind, dass sie die Aufgaben eines Technischen Redakteurs bewältigen können. Sie wären dann so gut, dass sie auch in anderen Bereichen wie der Medizin oder der Rechtswissenschaft eingesetzt werden könnten. Was würde das für unsere Gesellschaft bedeuten?

Die Konsequenzen wären weitreichend. Unternehmen würden sich an die Entwickler dieser Agenten wenden, um ihre Dienste zu erwerben. Doch wenn ein Agent autonom genug ist, um die Rolle eines TRs zu übernehmen, könnte er ebenso in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden. Andere Unternehmen und Organisationen würden Interesse bekunden, sei es in der Arzneimittelentwicklung, im Flugzeugbau oder in der Verbesserung der Logistik bei der Deutschen Bahn. Die Bereitschaft, für solch leistungsfähige Agenten zu zahlen, wäre hoch, da die Wertschöpfung ihrer Tätigkeiten beträchtlich ist.

Dies hätte einen interessanten Effekt auf den Arbeitsmarkt: Der Marktwert dieser KI-Agenten würde steigen, unabhängig von ihren Betriebskosten. Folglich könnte der Preis für ihre Dienstleistungen steigen, was bedeutet, dass der Job des TRs möglicherweise nicht einfach verschwindet, sondern stattdessen die Menschen wieder attraktiver macht, da ihre Arbeitskraft im Vergleich zu den Kosten für die Nutzung solcher Agenten möglicherweise kostengünstiger ist.

Eine wichtige Voraussetzung für dieses Szenario ist jedoch ein begrenztes Angebot an Ressourcen wie Rechenkapazität. Wenn die Kapazitäten begrenzt sind, könnte dies den Wert menschlicher Arbeit im Vergleich zu KI-Diensten erhöhen und somit den Arbeitsmarkt beeinflussen.

Insgesamt zeigt diese Betrachtung, dass die Frage, ob ein Technischer Redakteur durch eine KI ersetzt werden kann, nicht nur von technologischen Entwicklungen abhängt, sondern auch von wirtschaftlichen Faktoren und den Dynamiken des Arbeitsmarkts. Es ist ein komplexes Thema, das weiterhin Diskussionen und Forschungen anregen wird, während die Technologie immer weiter voranschreitet.

Nach dieser Überlegung wären die Menschen dann also die "billigeren" Arbeitskräfte. Ein verrückter Gedanke.

So, jetzt habe ich aber auch einmal kurz meinen Grundsatz von ganz oben über den Haufen geworfen. Denn beim Schreiben fiel mir ein, dass ich den Ausschnitt aus dem KI-Podcast für die Vorbereitung meines Vortrags in Stichworten mitgeschrieben hatte. Und faul, wie ich bin, habe ich schnell mal getestet, was ChatGPT daraus macht. Das Ergebnis sehen Sie oben in kursiver Schrift. Ich musste lediglich an zwei Stellen eingreifen. Unser Lektorat wird es sicher bemerkt haben, denn in diesem Teil waren deutlich weniger Rechtschreibfehler als im Rest des Textes.   

Fazit

Zeit für ein Fazit: Generative KIs werden den Job des Technischen Redakteurs meiner Meinung nach nicht überflüssig machen, aber sie werden ihn stark verändern. KI und Mensch werden im Team arbeiten und dabei Dinge hinbekommen, die wir uns jetzt kaum vorstellen können. Deshalb sollten wir uns jetzt schon mit KI beschäftigen und einfach mal ungehemmt ausprobieren, was so geht. Auch wenn uns viele Ergebnisse enttäuschen, wird es zwischendurch immer mal welche geben, die uns beeindrucken – und so lernen wir mit diesem neuen Werkzeug umzugehen, ohne es maßlos zu überschätzen.

 

Quellen:
Bild:
© Ociacia / iStock